Fünf Tage Empowerment

Vom 14. bis 18. Oktober 2024 trafen sich in Hofgeismar bei Kassel über sechzig Teilnehmende zur Fachtagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge (DAFEG).

Die Veranstaltung schuf einen wertvollen Raum für Austausch, Vernetzung und Entwicklung. Im Mittelpunkt stand das gemeinsame Engagement für eine gebärdensprachliche Kirche in heraus­for­dern­den Zeiten. Das wurde in unter­schied­lichen Facetten bei malerischer Herbstkulisse entfaltet:

Der Gottesdienst zur Eröffnung unter Leitung der Gehörlosenseelsorge der EKKW mit Predigt von Bischöfin Dr. Beate Hofmann betonte die Ernte aus Glauben und die Kraft der gebärdensprachlichen Gemeinschaft.

Zwei Hauptvorträge setzen wichtige Impulse: Stephanie Raith-Kaudelka entfaltete Formen von Gewalt, insbesondere an gehörlosen Frauen und damit die Wichtigkeit und Aufgabe von Schutz und Prävention. Lela Finkbeiner veranschaulichte Empowerment als Struktur und Chance von Macht.

Verschiedene Workshops unter fachlicher Leitung aus dem Kollegium gaben Impulse aus der eigenen Arbeit heraus für die Gehörlosenseelsorge. Die Zukunftswerkstatt zeigte Einblicke in begonnene Projekte und motivierte zu Ideen und Potential.

Der Abschlussgottesdienst mit Agape-Mahl stand ganz unter dem Segen und der Dankbarkeit für die bereichernden Begegnungen und Impulse.

Die Besucher*innen der Fachtagung der DAFEG trafen sich mittig von Deutschland in der Märchenstadt Hofgeismar aus dem ganzen Land. Für manche war es die erste Tagung und andere haben schon viele Tagungen erlebt. Was uns alle verbindet, ist die Herausforderung eine gebärdensprachliche Kirche aufzubauen und unter geringer werdenden finanziellen Mitteln aufrechtzuerhalten.

Darauf ging auch die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann in ihrer Predigt beim Eröffnungsgottesdienst am Montagnachmittag ein. Pfarrer Lutz Käsemann, Gehörlosenseelsorger aus Kassel, führte gemeinsam mit ehrenamtlichen Gemeindegliedern durch den Gottesdienst. Nach dem Abendessen hatte das Vorstandsteam noch ein paar sogenannte „Eisbrecher“ vorbereitet. Es ging darum, die anderen Teilnehmer*innen mit Hilfe von 16 Aufgaben besser kennenzulernen. Die Stimmung stieg je später der Abend wurde. Und das lag auch daran, dass fast an allen Tischen gebärdet wurde.

Für den Dienstagvormittag hatte das Vorbereitungsteam Stephanie Raith-Kaudelka (Sozialpädagogin und Diplom-Soziologin, Sinneswandel Berlin) gewinnen können. Das Tagungsthema „Seid wachsam“ bekam hier nun eine wichtige Bedeutung. Die taube Referentin berichtete beeindruckend in einfühlsamer und zugleich klarer Weise, dass und wie vor allem gehörlose Frauen in besonderer Weise von sexualisierte Gewalt betroffen sind. Dass es hier besondere Aufklärung und auch Unterstützung der Betroffenen braucht, wurde deutlich.

Am Dienstagnachmittag und auch am Mittwochvormittag ging es dann um praktische Workshops rund um die Gehörlosenseelsorge. Von Gebärdenliedern und Seelenbildern für die Gottesdienste, gab es praktische Tipps zum Pilgern, Andachten mit allen Sinnen. Austausch gab es zu religiöse Gebärden und der Frage, wie das Vaterunser gebärdet werden kann. Es gab auch Informationen, die zur Mitarbeit in der Partnerschaftsarbeit mit einer Gehörlosenschule in Tansania motivierte (Gehörlosenmission) und zu technischen Möglichkeiten für gebärdensprachliche Menschen auf Social Media. Am Dienstagabend gab es die Versammlung der tauben DAFEG-Mitglieder zum Austausch, und um eine Nachwahl eines tauben Mitglieds der Fachkonferenz Gehörlosenseelsorge durchzuführen.

Wie schon auf vielen Tagungen zuvor wurden am Mittwochnachmittag zu kulturellen Angeboten in der Umgebung eingeladen. Neben dem Museum für Beerdigungskultur und dem Museum zu den Gebrüdern Grimm wurde auch eine Stadtführung in DGS zu Documenta-Kunstwerken und eine Wanderung durch den Bergpark Wilhelmshöhe angeboten.

Zum zweiten Hauptreferat am Donnerstagvormittag war Lela Finkbeiner (Gebärdensprachaktivistin, Autorin, Diplom-Sozialpädagogin, z.Z. Master-Studiengang „Kritische Diversität und Community Studies“) gekommen und warf einen Blick auf die Frage, welche Strukturen Empowerment begünstigen bzw. erschweren. Mit diesem Hauptreferat wurde den Teilnehmer*innen deutlich, dass es für die Hörenden mit ihren Privilegien gegenüber den Tauben und für die Tauben untereinander wichtig ist, den Blick „von oben“ auf Strukturen zu werfen. So wird deutlich, wie Macht funktioniert – sowohl negativ als auch positiv. Das Zitat von Audre Lorde bringt die Forderung auf den Punkt: „Dein Privileg ist kein Grund für Schuld, es ist Teil deiner Macht, die du zur Unterstützung der Dinge nutzen kannst, an die du glaubst.“

Am Donnerstagnachmittag trafen sich die Mitglieder des DAFEG e.V.. Es ging vor allem um die notwendigen Beschlüsse zu den Haushalten 2022 und 2023 sowie um die zukünftigen Änderungen des DAFEG e.V., nach dem ein großer Teil der Dachverbandsarbeit unter dem Dach des Kompetenzzentrums Seelsorge der EKD verortet ist.

Im Abschlussgottesdienst mit Agape-Mahl am Freitagvormittag stand der Dank im Vordergrund für die wohltuenden Begegnungen, die anregenden Impulse und viele neue Informationen auf der Tagung im Heilbad Hofgeismar, auf der für viele spürbar Segen lag.

Nachweis Bild 1: Ev.Akademie Hofgeismar / Bild 2: www.ekkw.de / Bild 4+5: Daniela Milz-Ramming / Bild 3+6+7: Rahel Doehring-Jahn / Bericht: Antje Trost + Christian Schröder